Software vergleicht Wahlprogramme: So könnte Künstliche Intelligenz bei der Regierungsbildung helfen
Künstliche Intelligenz und RPA
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Künstliche Intelligenz: Open Source schafft Vertrauen
Rafael Laguna
Wach auf, Neo. Folge dem weißen Kaninchen – oder warum wir bei KI besser auf Offenheit und damit auf Software setzen sollten, die wir auch verstehen können.
Vergrößern Künstliche Intelligenz: Größter Erfolg der Menschheit oder schlimmstes Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation? © Fotolia / Weissblick
Am Anfang der Matrix-Filmtrilogie erhält der Filmheld Neo (Keanu Reeves) die geheimnisvolle Nachricht auf seinem Computer: „Wake up Neo. Follow the white rabbit. The Matrix has you.“
Die Filme zeigen den Kampf des Helden und seiner Freunde gegen eine gewaltige, außer Kontrolle geratene Maschine mit Künstlicher Intelligenz , die die Körper nahezu aller Menschen zur eigenen Energiegewinnung nutzt. Während die Menschen in einer Art Brutkasten hilf- und willenlos dahinvegetieren, glauben sie weiterhin, dass sie ein reales Leben haben – wobei sich lediglich ihre Gedanken in einer computergenerierten Traumwelt bewegen, der Matrix.
Als der Film im Jahr 1999 in den Kinos für Furore sorgte, hatten containergroße Großrechner weniger Rechenleistung und Speicherkapazität als sich mancher Bitcoin-Miner heute in den Keller stellt. Entsprechend war KI noch ein sicheres Terrain für Science-Fiction-Autoren.
Das hat sich in weniger als 20 Jahren grundlegend geändert. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (KI/ML) sind so weit salonfähig geworden, dass sich jüngst auch die Bundesregierung hierzu zu Wort gemeldet und „ Eckpunkte für eine Strategie Künstliche Intelligenz “ veröffentlicht hat.
Natürlich findet sich auf den 12 Seiten allerlei Richtiges und Sinnvolles, etwa, dass Deutschland „zu einem weltweit führenden Standort für KI“ werden soll und dass die Bundesregierung die „verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Nutzung von KI“ voranbringen will.
Zum Digital-Gipfel der Bundesregierung Ende November 2018 in Nürnberg will die Bundesregierung dann konkreter werden. Dass KI neben Chancen auch Risiken birgt, dessen ist sich auch die Kanzlerin bewusst. „Man darf nicht, wie bei der Kernspaltung, das Machbare einfach geschehen lassen. Das wird bei der KI auch so sein. „Behaltet Euch als Menschen die Hoheit und setzt Euch Leitplanken“, sagt Angela Merkel bei einer Veranstaltung Ende Juni . Oder: „Wir müssen die Dinge so steuern, dass der Mensch die Hoheit hat.“
Vertrauen ist gut, Offenheit ist besser
Damit das auch so bleibt, sollten wir meiner Meinung nach bei KI und ML möglichst nur auf Software vertrauen, die wir auch verstehen können. Und damit wir Software verstehen können, müssen wir auch Zugang zum menschenlesbaren Quellcode (Source Code) haben.
In der Tat gibt es einige populäre Open-Source-Software für Künstliche Intelligenz: Da ist zum Beispiel Tensorflow , eine auf der Programmiersprache Python basierende Programmbibliothek, die von Google entwickelt wurde und für Googles Spracherkennung und für die Analyse der von Street View aufgenommenen Bilder eingesetzt wird.
Das zweite Beispiel ist Open AI , eine Non-Profit-Organisation, die ihre Algorithmen und Tools unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht. Finanziell getragen wird die Organisation unter anderem von den Silicon-Valley-Größen Elon Musk und Peter Thiel.
Vertrauen gewinnt man nur durch Transparenz. Da KI und ML an sich schon recht intransparent sind, braucht es nicht nur offene Software für die Algorithmen, sondern es sollten auch die Informationen über die Auswahl der Parameter und Trainingsdaten offengelegt werden, da andernfalls die Gefahr besteht, dass das KI-System falsche bzw. diskriminierende Ergebnisse liefert.
Beispiel gefällig? Stellt bei einer automatisierten Bewerberauswahl für eine Stelle die Dauer der bisherigen Beschäftigungsverhältnisse der Kandidatin oder des Kandidaten ein zentrales Kriterium für die Bewerberauswahl dar, wäre eine algorithmische Entscheidung gegen die Einstellung von Frauen folgerichtig – denn sie verlassen statistisch gesehen aufgrund der Geburt eines Kindes häufiger eine Arbeitsstelle.
Wer zu diesem Themenkomplex weiterlesen möchte, dem sei das Arbeitspapier „ Damit Maschinen den Menschen dienen “ der Bertelsmann Stiftung empfohlen.
Mit ihren Bedenken, dass KI auch eine Bedrohung für die Menschheit darstellen könnte, ist die Physikerin Angela Merkel nicht allein. Auch der im März 2018 verstorbene Stephen Hawking sagte zuletzt , dass KI der größte Erfolg der Menschheit oder das schlimmste Ereignis in der Geschichte unserer Zivilisation werden könnte: „We just don't know.“ Auch Hawking war Physiker.
Software vergleicht Wahlprogramme: So könnte Künstliche Intelligenz bei der Regierungsbildung helfen
Für fast 800 Seiten Text benötigt die Spracherkennungssoftware Semantha knapp 30 Sekunden, inklusive der Aufbereitung der Daten für den Menschen. Damit wirbt Sven Körners Start-up Thingsthinking. Normalerweise wird Semantha auf juristische Vertragstexte oder komplexe Dokumente bei Versicherungen angewandt. Doch dann rückte die Bundestagswahl immer näher.
Körner dachte sich also: Warum die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) nicht so nutzen, dass sie bei der Regierungsbildung helfen könnte? Und so ließen er und sein Team die Software die Wahlprogramme der für eine künftige Koalition in Frage kommenden Parteien vergleichen. Semantha verglich die Programme nicht nur so, wie es auch jeder halbwegs begabte Mensch über eine Dokumentensuche machen könnte, sondern extrahierte sogar die Bedeutung der Aussagen.
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So erkennt Semantha nicht nur wortgleiche Äußerungen, sondern auch semantische Überschneidungen zwischen den Parteien. Die Ergebnisse dieser Vergleiche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden listete die Software dann in einer Excel-Tabelle nach Themen sortiert auf. Passagen mit hoher Übereinstimmung wurden grün markiert, potenziell umstrittene Passagen gelb und rot. Sogar einen Prozentsatz der Überschneidungen berechnete die KI, den sogenannte Score.
Dass beim Vergleich zweier Parteien vieles rot ist, muss allerdings nicht heißen, dass es in diesen Punkten große Unterschiede gibt. Es kann auch heißen, dass es zu diesen Punkten in einem der Wahlprogramme einfach keine Inhalte gibt – was per se nicht schlecht ist, sondern dann wieder zur Verhandlungssache wird. Denn eins war Körner von Beginn an klar: Die Politiker ersetzen, kann die Software sicherlich nicht.
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Körner war im Vorfeld der Bundestagswahl sogar mit verschiedenen Parteien im Gespräch. Warum letztlich keine Partei, auch wenn sie grundsätzlich interessiert war, mit der Software arbeitet, kann er nur erahnen. Körner vermutet: „Das Mindset hat gefehlt, im Wahlkampf war anderes wichtiger.“ Will heißen: Auf der Prioritätenliste stand die Möglichkeit, durch KI Zeit zu sparen oder zu schaffen, nicht weit oben.
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Doch Körner ist überzeugt davon, dass Semantha den Parteien gerade jetzt bei den Sondierungen oder auch später bei Koalitionsverhandlungen helfen könnte. Während sich das Spitzenpersonal der Parteien mit grundlegenden Streitthemen befasst, könnte die Software den Verhandlungsteams bei Details für einen Koalitionsvertrag helfen. „Das Gegenchecken könnte die Arbeit erleichtern“, sagt Körner. „Semantha ist eine kleine Fee, die zuarbeitet“, eine Art „Gabelstapler fürs Hirn“.
Sogar in der Entwicklungsphase der Wahlprogramme hätte die Software von Nutzen sein können, glaubt Körner. Wenn sie beispielsweise das Wahl- oder Parteiprogramm einer anderen Partei durchscannt, könnten etwaige Schnittmengen früh erkannt werden – oder Parteien sogar darauf aufmerksam machen, dass sie zu einem bestimmten Thema, zu dem sie noch nichts im Programm haben, sehr wohl eine Meinung haben.
Den Nutzen fasst Körner so zusammen: „Wenn ich einen Cappuccino will, muss ich nicht noch eine Kuh melken.“ Doch, das sagt er auch: „Wenn ich einen guten Cappuccino haben will, muss ich ihn auch zubereiten können.“
Und um zu demonstrieren, was die Software kann, hat Körner die Ergebnisse der Vergleiche zwischen den Wahlprogrammen hochgeladen (sehen Sie hier). Auf der Website kann jeder die Wahlprogramme von Grünen und FDP sowie den Ampel- und Jamaika-Parteien untereinander vergleichen.
Dabei wird wieder deutlich, was bereits bekannt ist: Während es zwischen CDU und FDP sowie SPD und Grünen große Überschneidungen gibt, sind die Streitpunkte bei den anderen Parteien größer.
CDU und Grüne mit mehr Konsens als SPD und FDP?
Auffällig ist dabei, dass die Software bei den Grünen beispielsweise mehr Übereinstimmungen mit der FDP sieht als bei der SPD. Sucht man vom Grünen-Wahlprogramm aus nach Übereinstimmungen mit der FDP, gibt es etwa ein Drittel grüne, gelbe und rote Abschnitte. Vom SPD-Wahlprogramm ausgehend gibt es hingegen nur etwa halb so viele Übereinstimmungen (grün) und fast zur Hälfte potenziell umstrittene Themen (gelb).
Allerdings lässt sich daraus keine fixe Aussage herleiten – es gibt nur einen Hinweis darauf, zwischen welchen Parteien es größere Differenzen geben könnte.
Doch wenn man es schon vorsichtig anhand von semantischen Übereinstimmungen vergleicht: Zwischen CDU und Grünen hätte es wohl potenziell mehr inhaltliche Übereinstimmungen gegeben als zwischen SPD und FDP. Vom CDU-Wahlprogramm ausgehend gibt es rund ein Viertel übereinstimmende Punkte (grün), allerdings ebenso viele umstrittene Themen (gelb) wie zwischen SPD und FDP.
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Mithilfe der Textgenerierungssoftware des Start-ups Aleph Alpha entstanden auf Grundlage der Gemeinsamkeiten in den Wahlprogrammen dann sogar Passagen für einen möglichen Koalitionsvertrag, die ebenfalls öffentlich einsehbar sind. Auch diese zeigen, welch nützlichen Beitrag Künstliche Intelligenz den Politikern leisten kann. Nur die Detailarbeit, die kann die Software ihnen auch hier nicht abnehmen.